210 §. 76. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung.
brochen, indem der griechische Patriarch in Constantinopel,
Michael Cerularius, durch seinen Streit mit dem Papste
in Rom, und die darauffolgende gegenseitige Verdammung
imjahre 1053 die Lostrennung der morgenländischen
oder griechischen Kirche von der abendländischen
oder römischen (lateinischen) herbeiführte. — In der
römischen Kirche trat hierauf im 12. Jahrhundert ein heftiger,
bis zu Gewaltthätigkeiten gehender Gegensatz gegen den welt-
lichen Einfluß der Geistlichkeit auf, wurde aber durch die
Verbrennung Arnolds von Brescia, der in Rom eine
kirchlich-politische Reform bezweckte, unterdrückt.
Das verweltlichte Leben des größten Theiles der Geist-
lichkeit jener Zeit war allerdings nur geeignet, den in allen
Ständen eingerissenen Verfall der Sittenzucht zu beschleunigen.
Obgleich mehrere Päpste diesem Übel ernstlich zu steuern such-
ten, so gab es doch auch manche, die selber ihre hohe Würde
so entehrten, daß es kein Wunder war, wenn sich immer mehr
Stimmen gegen die vorhandenen Mißbräuche vernehmen ließen,
wie z. B. gegen das Ende des 14. Jahrhunderts in England
die Angriffe Wikleff's (Wpthcliffe's) auf das Ansehen des
Papstes und auf mehrere Kirchenlehren.
Den größten Schaden erlitt aber die römische Kirche durch
das in der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts eingetretene
päpstliche Schisma, indem nämlich schon unter Karl Iv
zwei Päpste, der eine zu Avignon in Frankreich, der andere
zu Rom, aufstanden und sich gegenseitig verfluchten, so daß
die ganze abendländische Christenheit gespalten und in große
Verwirrung und Roth versetzt wurde. Und als nachher vol-
lends noch ein dritter Papst (in Spanien) hinzukam, und
alle drei sich zur Erhaltung ihres Hofes die größten Geld-
erpressungen erlaubten, so wurde die Sehnsucht nach einer
Verbesserung der Kirche an Haupt und Gliedern
immer stärker, und in ganz Europa der Wunsch, daß man
durch ein Concilium helfen möchte, immer lauter und allge-
meiner.
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Extrahierte Personennamen: Michael_Cerularius Karl_Iv Karl Roth
Extrahierte Ortsnamen: Constantinopel Rom Brescia Rom England Avignon Frankreich Rom Spanien Europa
§. 65. Sieg des Christenthums über das Heiventbum. 175
312 Constantin der Große diesen seinen Gegner bei Rom
besiegte, und, weil er diesen Sieg dem Zeichen des Kreuzes
znschrieb, den Christen nicht nur freie Religions-
übung, sondern bald auch Staatsbürgerrechte ein-
räumtc.
Eine Zeit lang regierte Constantin gemeinschaftlich
mit Licinius; nachher verschaffte er sich im Kampfe mit
demselben die Alleinherrschaft über das ganze
römische Reich. Er ordnete hierauf dasselbe durch eine
neue Eintheilung, verbesserte die Verwaltung, sicherte die
Gränzen, verlegte seine Residenz aus dein republikanisch und
heidnisch gesinnten Rom nach dem von ihm neu erbauten
Byzanz (das von nun an den Namen C o n st a n t i n o p e l
bekam), weil diese E n t f e r n u n'g von Rom ihm die
D u r ch f ü h r u n g seiner m o n a r ch i s ch e n und ch r i st-
lichen Grundsätze erleichterte, und erhob sodann,
obgleich selbst noch nicht getauft, das Chriftenthum
zur Staatsreligion.
Dadurch bekamen von nun an die Christen die Oberhand;
das Heideuthum dagegen mit seinen Tempeln und Priestern
gerieth in völlige Abnahme und mußte von jetzt an selber die
Unterdrückung, Verachtung und Verfolgung leiden, die cs dem
Christenthum angethan hatte. Dieses aber hatte unterdeß
seinen eigenthümlichen Entwicklungsgang genommen und sich
bestimmter zu einer allgemeinen Kirche ausgebildet.
Da nämlich frühe schon in das Innere der Gemeinden
mancherlei Jrrthümer eingedrungen und Secten daraus ent-
standen waren, so war es zur Erhaltung der Einheit um so
nöthiger geworden, daß sich die Gläubigen eng aneinander
hielten und alle Irrgläubigen aus ihrer Gemeinschaft aus-
schloßen. Nach dem Zeitalter der Apostel bekam in den Ge-
meinden unter den Presbytern Einer allmählig höheres An-
sehen und wurde als Bischof vor den übrigen ausgezeichnet.
Mit der Vermehrung der Glieder und der Verwaltungsge-
schäfte bildete sich der besondere Stand der Geistlichkeit (des
Klerus) mit seinen verschiedenen Abstufungen, und unter ihnen
f
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Extrahierte Personennamen: Constantin Constantin Apostel
§. 93. Die Reformation in England. 267
Grunde, dem Hause Österreich die kaiserliche Gewalt zu ent-
reißen und Deutschland umzugestalten!
5. Die Reformation tu England.
§. 93. Auch in England hatte die Reformation bald Ein-
gang gefunden; aber die Trennung von der römischen Kirche
geschah dort zunächst aus sehr weltlichem Grunde.
Die unumschränkte königliche Gewalt, welche Heinrich Vh
(§. 79) hinterlassen hatte, wurde in den Händen seines
Sohnes, des leidenschaftlichen und störrisch - willkührlichen
Heinrich s Vhf, zur völligen Despotie mißbraucht, in die
sich das Parlament mit der niedrigsten Feigheit fügte. Ob-
gleich dieser König selbst eine Schrift gegen Luther zur
Vertheidigung der sieben Sacramente geschrieben und deß-
halb vom Papste den Titel „Glaubensbeschützer" erhalten
hatte, so sagte er sich doch vom Papste los, weil dieser die
eigenmächtige Scheidung von seiner ersten Gemahlin und
seine Verbindung mit Anna Boleyn als ungültig ver-
warf.
Er erklärte sich nun 1535 zum Oberhaupt der eng-
lischen Kirche, zog alles Klostergut mit unglaublicher
Rohheit ein und verschwendete es so sinnlos, daß nach einigen
Jahren wenig mehr von dem also Gewonnenen vorhanden
war; auch ließ er jeden, der die von ihm aufgestellte katho-
lische Kirchenverfassung nicht beschwören wollte, hinrichten,
und selbst des edlen Kanzlers Thomas Moore's (Mo-
rus) Haupt mußte aus diesem Grunde unter dem Beile
fallen.' Bald schickte der argwöhnische Tyrann auch Anna
Boleyn auf's Schaffet, und dieses Schicksal traf auch noch
die vorletzte der sechs Gemahlinnen, die er nach einander
gehabt hatte. — Obgleich vom Papste abgefallen, haßte er
doch Luthern und dessen Lehre bis an sein Ende: denn er
wollte selber Reformator seyn. Er starb 1547 im 56. Jahre
seines Alters.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Vh Heinrich Heinrich_s_Vhf Heinrich Anna_Boleyn Thomas_Moore's Anna
Boleyn
Extrahierte Ortsnamen: England Deutschland England England
§. 24. Die Propheten.
61
trag hatten. Sie hatten den besonderen Beruf, Israel von
den Abwegen der Abgötterei und Zuchtlosigkeit zur verlasse-
nen Bundesgemeinschaft zurückzuführen, es mit den Heils-
absichten Gottes bekannt zu machen und besonders auf das
Reich des Erlösers (Messias) h i n z u w e i s e n.
Von Gottes Geist getrieben, traten sie mit der größten
Furchtlosigkeit vor König und Volk hin, und redeten ohne
Ansehen der Person, bald furchtbar drohend, bald freund-
lich milde, je nachdem sie den Verächtern Gottes seine Straf-
gerichte , oder den Bußfertigen seinen Trost und seine Hülfe
zu verkündigen hatten. Da der Geist der Wahrheit sie er-
füllte , so widerstanden sie jeder Verfolgung, mit welcher sie
von gottlosen Königen und boshaften Götzenpriestern bedrängt
wurden, und selbst der Märtyrertod, den die meisten zu er-
leiden hatten, konnte sie nicht schrecken.
Die wichtigsten unter den Propheten, die während der
Dauer der beiden Reiche auftraten, waren Elia, Jesaja,
und Jeremia.
Glia, der zu beiden Reichen gesendet ward, hatte vor-
züglich gegen Ahab's und Jesebel's Gottlosigkeit zu kämpfen.
Er ist als der Stellvertreter des alten Bundesgesetzeö an-
zusehen , das er durch seinen mächtigen Feuereifer herzustellen
trachtete.
Jesaja lebte unter vier Königen von Juda und wirkte
über ein halb Jahrhundert hindurch in seinem Propheten-
berufe, etwa bis zum Jahre 700 v. Ehr. Da er am aus-
führlichsten und bestimmtesten die Erscheinung des Messias-
oder Erlöserreiches verkündigte, wird er der Evangelist des
Alten Bundes genannt.
Jeremia wirkte unter den fünf letzten Königen von
Juda als Bußprediger, und erlebte nach vierzigjähriger
Ausübung seines Phrophetenamtes den völligen Untergang
des Reiches Juda, den er auf's schmerzlichste mitempfand.
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§. 76. Die Kirche Ln ihrer tiefsten Erniedrigung. 209
Unter der trägen und unsinnigen Negierung seines Sohnes
Wenzel (1378—1400) riß in Deutschland abermals eine
solche Unordnung ein, daß die Städte sich durch Büudnisse
gegen den sie bedrückenden Adel, so wie gegen die Fürsten zu
schützen suchten, und zuletzt ein verheerender Städtekrieg
ausbrach, in welchem die rheinisch-schwäbischen Städte gegen
die Macht des Adels und der Fürsten unterlagen.
Zuletzt wurde Wenzel abgesetzt: doch konnte auch sein
Nachfolger Nuprecht von der Pfalz (1400—1410) die
Ordnung nicht Herstellen, zumal zugleich allmählig auch in der
Kirche eine Verwirrung eingetreten war, die auf alle Verhält-
nisse des bürgerlichen Lebens die traurigste Einwirkung hatten.
2. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung.
76. Ungeachtet der so hoch gestiegenen Macht des Papstthums
und des Sieges der geistlichen Gewalt über die weltliche,
hatte sich doch in der Kirche der Keim des Verderbens bereits
mächtig entwickelt, und schon längst war über dem ungebühr-
lichen Vertrauen auf äußere Werke und über der Gleichstel-
lung menschlicher Satzungen mit den Forderungen des gött-
lichen Worts die Einfachheit des Evangeliums und der
Wandel im Geist immer mehr zurückgetreten.
Daher entzogen sich schon vom 9. Jahrhundert an einzelne
Gemeinden in den stillen Thälern Südostfrankreichs und Sa-
voyens den hierarchischen Einrichtungen, und strebten mit
Beobachtung strenger Sittenzucht auf das Urchristenthum zu-
rückzugehen. Sie breiteten sich im 12. Jahrhundert unter dem
Namen Waldenser immer weiter aus, ungeachtet sie durch
die päpstlichen Jnquisitions- oder Ketzergerichte schrecklich ver-
folgt wurden.
In der (allgemeinen) Kirche selbst war schon in der
Mitte des 11. Jahrhunderts eine große Spaltung ausge-
14
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§. 76. Die Kirche in ihrer tiefsten Erniedrigung. 211
Und so konnte denn Ruprecht's Nachfolger, Kaiser Si-
gismund, Wenzel's Bruder,
1414 das Concilium zu Constarrz zu Stande bringen, welches
die drei Päpste absetzte und den Grundsatz aufstellte, daß sich
der Papst den Beschlüssen einer allgemeinen Kirchenversamm-
lung unterwerfen müsse. Weil man aber vor der Abstellung
der übrigen Kirchengebrechen den neuen Papst wählte, der
alsdann von dem Concilium keine Verbesserungsvorschläge
annahm, so war zwar die (äußere) Einheit der Kirche, nicht
aber ihre Reinheit hergestellt.
Dazu kam, daß das Concilium selbst durch ein leiden-
schaftliches Urtheil den spätern Riß in der Kirche dadurch
vorbereitete, daß von ihm
14113 Johann Huh, der als Professor der Theologie zu Prag
gegen die Gewalt des Papstes und gegen verschiedene andere
Kirchenlehren aufgetreten war, zum Feuertode verurtheilt und
zu Constanz als Ketzer verbrannt wurde. Zunächst ent-
stand aus diesem Verfahren
14120—1436 der Hussitenkrieg, indem sich Hussen's Anhänger
in Böhmen im Aufruhr erhoben, unter ihren Anführern Ziska
und den beiden Procopius alle vom Kaiser und Reich und
Papst gegen sch aufgebotenen Heere schlugen, und einen großen
Theil Böhmens und aller umliegenden Länder auf das gräu-
lichste verwüsteten. Nur als das zu Basel wieder zusammen-
getretene Concilium den Forderungen der gemäßigten Partei
der Hussiten, der Calirtiner, nachgab, und diese dann selbst
sich gegen die fanatische Partei der Taboriten wendeten,
ward endlich die Ruhe wieder hergestellt.
Aus dem besseren Theile von ihnen entstund nachher die
böhmisch-mährische Bürgergemeinde, die unter man-
cherlei Verfolgungen ihren 'Glauben bewahrte, bis sie später-
hin zum Theil in die jetzt bestehende, vom Grafen Zinzendorf
gestiftete Brüder-Unität übergieng.
Alle Beschlüsse des Basler Conciliums aber, die auf Be-
schränkung der päpstlichen Macht gerichtet waren, verwarf
- der Papst und nahm ihnen für Deutschland durch neue Ver-
14*
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Extrahierte Personennamen: Johann_Huh Johann Hussen's_Anhänger Procopius
§. 88 Anfang der Reformation.
243
Tod eines Freundes, dem Klosterleben, und suchte durch
ängstlich-gewissenhafte Beobachtung aller vorgeschriebenen
kirchlichen Gesetzeswerke den Frieden der Seele. Er vermochte
ihn aber auf diesem Wege nicht zu finden, und war in der
äußersten Gefahr, sich durch Selbstquälerei geistlich und leib-
lich aufzureiben. Da kam er zufällig an eine lateinische
Bibel und lernte daraus die ursprüngliche Lehre des Evan-
geliums kennen. Das ernste Forschen in der Schrift führte
ihn, nach noch vielen innern Kämpfen, auf den Weg der vor
Gott geltenden Gerechtigkeit, welche allein dem durch die
wahre Herzensbuße hindurchgegangenen Glauben an
Christi Verdienst von Gott zugerechnet wird, aus welchem
lebendigen Glauben dann die guten Werke als
eben so viele gesunde Früchte hervorgehen
m ü s s e n.
Da einige Jahre zuvor (1502) der Kurfürst Friedrich
der Weise, welcher überhaupt mit seinem durchdringen-
den Geiftd die Bedürfnisse des Reichs und der Kirche am
klarsten erkannte, die Universität Wittenberg errich-
tet hatte, so wurde Luther für dieselbe durch einen seiner Vor-
gesetzten, Staupitz, zunächst zum Lehrer der Weltweiöheit
vorgeschlagen und vom Kurfürsten 1508 angestellt. Einige
Jahre darauf (1512) wurde er zum Doctor der heili-
gen Schrift ernannt und zum Predigtamt verpflichtet. Da
er die heil. Schrift nicht, wie Andere, bloß nach den Kirchen-
vätern und Scholastikern, sondern unmittelbar aus ihr selbst
auslegte, so brachte er dadurch große Wirkung unter seinen
Zuhörern hervor. Eine Reise nach Rom in Angelegenheiten
des Augustinerordens, welchem Luther noch angehörte, machte
ihn mit dem damaligen geistlichen Leben daselbst in einer
Weise bekannt, die einen sehr ungünstigen Eindruck in seinem
Gemüthe zurückließ. Als nun Tetzel kam und mit seinem
Ablaßverkauf so gefährlich wirkte, trat Luther in der oben
angegebenen Art auf, ohne jedoch damit eine Kirchen-
trennung zu beabsichtigen.
Run erhob sich ein Schriftenstreit zwischen ihm und seinen
16*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Luther
<>
160 §. 62. Gründung und Ausbreitung des Christenthunis.
In stiller Verborgenheit herangewachsen tritt Jesus in
seinem 30. Jahre nach Überwindung aller Versuchungen zur
. Selbstsucht, in voller Hingabe in den Willen seines himm-
lischen Vaters, sein Lehr- und Erlöseramt an, mit den Worten:
„die Zeit ist erfüllet, und das Reich Gottes ist herbeige-
kommen : thut Buße und glaubet an das Evangelium!" d. i.
an die frohe Botschaft, daß Gott allen Menschen, wenn sie
demüthig ihre Siinden erkennen und bereuen und an Jesum,
als den Sohn des lebendigen Gottes, glauben, aus freier
Gnade um Christi willen ihre Sünden vergeben und sie als
seine Kinder wohlgefällig wieder aufnehmen wolle.
Die Befugniß zu diesem Amte beglaubigte er zugleich
durch Wunder, in denen er als Herr über die Natur und
Geisterwelt und als der Retter aus Noch und Tod erscheint,
und welche seinen Lehren Eingang in die Gemüther zu ver-
schaffen bestimmt waren.
Umgeben von zwölf I ü n g e r n, einfachen und unge-
lehrten Israeliten, die Jesus sich aus dem Stande der Niedrig-
keit gewählt hatte, und von denen ihm besonders Petrus
und die Brüder Johannes und Jacobus am nächsten
standen, — durchwandelte er das jüdische Land und predigte
vom Reiche Gottes, dessen Grundgesetze und Entwicklungs-
gang er vorzüglich in Gleichnissen enthüllte, in denen er das
Himmelreich theils als eine seligmachende Gotteskraft, theils
als eine durch diese Kraft erbaute Gemeinde oder Kirche dar-
stellte , tbeils die Gesinnung, den Wandel und die Schicksale
der in Glaube, Liebe, Hoffnung vereinigten Genossen dieses
Reiches schilderte; dagegen dem alten Bundesvolke, wegen
seiner hartnäckigen Widersetzlichkeit gegen das zunächst ihm
dargebotene Heil, den Verlust seiner Gnadenvorzüge und
Vorrechte und die Übertragung derselben auf die neue, aus
Israel und den Heiden gesammelte Gemeinde ankündigte.
Ilnd wirklich, wie es schon der Geist der Weissagung vor-
ausgesagt hatte, so kam es: Israel im Ganzen verwarf im
Unglauben seinen Erlöser, und übergab ihn auf die feierliche
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Extrahierte Personennamen: Jesus Jacobus
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Gottes Christi Gottes Israel Israel
163 §. 62. Gründung und Ausbreitung des Christentums.
walt, selbst von den Pforten der Hölle nicht, sollte überwäl-
tigt werden können.
Von Tag zu Tag mehrte sich die Christengemeinde zu
Jerusalem, und, was das wichtigste war, die Menge der
Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele, und fand wegen
der Lauterkeit ihres Wandels Gnade beim ganzen Volk.
Bald jedoch erhüben sich von Seiten der Juden Ver-
folgungen gegen die Gemeinde, die mit dem Märtyrertode des
glaubenstreuen Almosenpflegers Stephänus begannen und
die Folge hatten, daß sich viele Glieder in andere Theile Pa-
lästinas und nach Syrien zerstreuten. Das geschah aber,
damit die von Israel auf die Gemeinde des neuen Bundes
übergegangene Bestimmung, „ein Salz und ein Licht
der Welt" zu seyn, erfüllet werden, und „die Anbe-
tung Gottes im Geist und in der Wahrheit"
nach und nach bei allen Völkern der Erde Platz greifen könne.
Die anfängliche Meinung, daß der Heide erst das mo-
saische Gesetz annehmen müsse, ehe er Christ werden könne,
widerlegte bald die Bekehrung des Kämmerers aus
Mohrenland durch den Almosenpfleger Philippus, so
wie die Bekehrung des römischen Hauptmanns Cornelius
durch den Apostel Petrus. Der Apostel Paulus aber,
dessen Bekehrung selbst ein Wunder der Gnade Gottes war,
wurde von dem Herrn insbesondere berufen, das Evangelium
unter die Heiden zu bringen, und während die andern Apostel
noch in Palästina zu wirken fortfuhren, durchzog Paulus
auf drei Missionsreisen unter mannigfaltigen Ge-
fahren Kleinasien, Macedonien und Griechenland, und stiftete
allenthalben christliche Gemeinden, deren Glieder zum größten
Theile aus dem Heidenthum waren. Solche Erfahrungen be-
wogen denn auch das Apostel-Concilium zu Jeru-
salem, auf den Vorschlag des Petrus und Jacobus, zu dem
förmlichen Ausspruche, daß den sich bekehrenden Heiden das
Joch des mosaischen Gesetzes nicht auferlegt werden solle.
(Dieser Beschluß wurde auch schriftlich ausgefertigt, und zwar
im Namen aller Apostel und Ältesten.)
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176 §. 65. Der Sieg des Christentums über das Heidenthum.
wurden vom 3. Jahrhundert an nur diejenigen Bi schösse
als Stellvertreter Christi angesehen, die von der Kirche
zu ihrem Amte verordnet, d. i. von don versammel-
ten Bischöffen der Provinz, jedoch stets nur mit Zuziehung
der betreffenden Gemeinde, gewählt waren. (Denn vorher
hatten die Kirchengemeinden allein das Recht gehabt, ihre
Bischöffe zu verordnen.)
Obgleich alle Bischöffe gleiche Rechte hatten, so waren
doch diejenigen unter ihnen die angesehensten, welche in den
Hauptstädten Rom und Constantinopel, und in den
Muttergemeinden Jerusalem, A n t i o ch I a und Al e r a n-
d r7a ihren Sitz hatten und deßwegen die Synoden (Con-
eilien, Kirchenversammlungen) leiteten. Auf diesen Synoden
wurden die allgemeinen Angelegenheiten der Kirche besprochen
und die Reinheit der Kirchenlehre gewahrt.
So z. B. hatte sich eben unter der Regierung Constantinos
durch den Bischof Arius ein Streit über das Verhältniß
Christi zu Gott erhoben, der die ganze Kirche zu spalten
drohte: daher Constantin
32ñ die allgemeine Kirchenversammlung zu Nicaa be-
rief, auf welcher die schriftwidrige Lehre des Arius verworfen
und das nicänischeglaubensbekenntniß aufgestellt
wurde. Und als der römische Bischof, der bereits das höchste
Ansehen in Anspruch nahm, sich den Begünstigungen, die der
Bischof von Constantinopel erfuhr, entgegensetzte, so bestimmte
das allgemeine Concilium zu Constantinopel (381) dem letz-
tern den Rang gleich nach jenem, weil Constantinopel Neu-
Nom sey.
Von Constantin's drei sittenlosen Söhnen, unter die er
bei seinem Tode das Reich getheilt hatte, vereinigte zuletzt
Confiantius wieder das ganze Reich, erhöhte den Glanz
der christlichen Kirche und räumte besonders der Geistlichkeit
viele Macht ein. Doch mit der Gunst, welche das Christenthum
bei den Mächtigen der Erde fand, und mit dem steigenden äußern
Glanz und Reichthum der Kirche nahm bald die hohe Einfalt
und Demuth, die innere Kraft und Lauterkeit des Lebens und
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Extrahierte Personennamen: Christi Constantinos Constantin Demuth
Extrahierte Ortsnamen: Hauptstädten_Rom Constantinopel Jerusalem Christi Nicaa Constantinopel Constantinopel Constantinopel